Spielregeln – eine Metapher

Inhaltswarnungen: Ungerechtigkeit, unfaire Argumentation

Man stelle sich ein Spiel vor:

Es ist ein bisschen wie Fußball, aber nicht ganz. Neben den beiden gewöhnlichen Toren gibt es noch weitere Tore an den Seitenlinien: drei blaue, zwei gelbe und ein grünes.

Dieses Spiel ist etwas ungewöhnlich, denn jede Mannschaft hat ihre eigenen Regeln. Mannschaft A bekommt z. B. immer dann einen Punkt, wenn sie ins gegnerische Tor oder in ein blaues Tor trifft. Geht ein Ball ins grüne Tor (egal von wem geschossen), erhält sie einen Minuspunkt.

Mannschaft B erhält nur in den gelben Toren oder im gegnerischen Tor einen Punkt und dazu noch Minuspunkte in allen blauen Toren. Kopfbälle sind für Mannschaft B nicht erlaubt.

Mannschaft C erhält in allen Toren (außer dem eigenen) Punkte. Sie dürfen außerdem mit den Händen spielen.

Mannschaft D bekommt lediglich dann einen Punkt, wenn der Ball im gegnerischen Tor landet, dafür aber auch keine Minuspunkte in irgendwelchen Toren.

Und so geht es für jede Mannschaft weiter. Die Regeln sind festgeschrieben. Sie bleiben, wie sie sind, für jedes Turnier aufs neue. (Natürlich ergeben sich daraus für jede Mannschaftskombination ganz andere Strategien und die Regeln für sämtliche Sonderfälle sind so komplex, dass niemand sie durchschaut. Das Gesamtregelwerk ist so lang und unübersichtlich, dass es niemand gelesen hat.)

Hin und wieder kommt es vor, dass Mannschaft C ausgebuht wird, wenn sie das Spielfeld betritt oder erneut das Turnier gewinnt. Sie beklagen sich daher häufig, das Spiel wäre zu ihren Ungunsten verzerrt und unfair. Regelmäßig reagieren die anderen Mannschaften wütend auf diese Aussagen. Mannschaft C spricht in diesem Zusammenhang von grundlosen Anfeindungen und einer aggressiven Grundhaltung der anderen Mannschaften, die ihnen das Spiel verleide. Wenn sie tatsächlich einmal ein Spiel verlieren, folgen lange Diskussionen über das unfaire Spiel ihrer Gegner.

Vielleicht ist an dieser Stelle ohnehin klar, wie dieses Bild zu interpretieren ist. Aber eine Sache möchte ich herausstellen, nämlich die Argumentationslinie von Mannschaft C:

Mannschaft C profitiert enorm vom Aufbau des Spiels. Deswegen vermeiden sie echte Diskussionen über die Regeln und verlagern ihre Kritik auf das Geschehen abseits davon: das Verhalten der Fans, die vermeintliche Aggression anderer, das vermeintlich unfaire Spiel anderer.

Können die Menschen aus Mannschaft C schlimme Dinge erleben? Aber ja. Glaube ich ihnen, dass sie es unangenehm finden, ausgebuht zu werden? Natürlich.

Ist das ein Argument dafür, dass die Regeln bleiben müssen, wie sie sind? Ist es ein Argument dafür, die Beschwerden anderer Mannschaften nicht ernst nehmen zu müssen? Bedeutet es vielleicht sogar, dass eben alle Mannschaften „ihr Päckchen zu tragen haben“, also irgendwie gleich schlimm unter den seltsamen Regeln leiden?

Und dann möchte ich noch kurz über die Mannschaft A reden, die irgendwie ganz gut im Turnier zurechtkommt. Selten auf Platz 1, aber auch nie auf dem letzten Platz. Sie springt Mannschaft C gern zur Seite, möchte ebenfalls keine Regeländerungen und ist ziemlich stolz darauf, wie gut sie sich im Turnier schlagen. Ihre Botschaft lautet: Man müsste sich eben nur anstrengen, wenn man gewinnen will. Manche Personen aus anderen Mannschaften möchten gern daran glauben, dass das stimmt.

Könnte ja auch stimmen, nicht wahr?

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