Ich benutze aktuell die Prompt-Liste von Tala Jacob und Leslie Rubow.
#1 – Wald & Wiesen
Sie machte die letzten Pinselstriche. Dann trat sie einige Schritte zurück und betrachtete das Bild. Eine grüne Wiese im Mondschein. Dahinter die dunklen Kronen großer Eichen. Sie war nicht sicher, ob sie alles gut genug erinnerte. Ob es ausreichen würde. Sie löschte ihre Kerze. Auf dem Boden leuchtete das eckige Abbild eines Fensters, durch das kaltes Mondlicht ins dämmrige Zimmer fiel. Sie stellte sich in den erhellten Fleck, betrachtete das Bild und legte ihre Hände auf ihr Herz. Sie schloss die Augen. Ein Atemzug, ein Blick auf das Bild, ein Atemzug, ein Blick auf das Bild. Ein Atemzug und sie fühlte kühlen Wind auf ihrer Haut. Ein Blick auf das Bild und sie sah die winzigen Bewegungen des Grases. Ein Atemzug. Etwas raschelte zu ihren Füßen, eine Maus vielleicht. Ein Blick auf das Bild, ein Atemzug. Sie fühlte einen Ruck durch ihren Körper gehen. Fühlte die Kälte der Nacht und kaltes Gras unter ihren nackten Füßen. Vor ihr eine Wiese im Mondschein. Dahinter die dunklen Kronen großer Eichen. Sie hatte es geschafft.
#2 – Kürbis
Kleine, orange Kürbislampen säumten den Weg, der eigentlich kein Weg war, sondern eben nur eine markierte Strecke querfeldein durch den Eichenwald. Sie fühlte sich wohl zwischen den hohen Stämmen. Ihre bloßen Füße traten auf taunasses, raschelndes Laub, wenn sie von einer Laterne zur nächsten Schritt. Ganz bewusst nahm sie sich Zeit, jedes kleine Kürbisgesicht anzusehen. Die aufgerissenen, zähnefletschenden Münder, die leuchtenden Äuglein, manchmal sogar Klauen, brachten sie zum Lächeln. Ein Uhu rief. Kalter Wind strich über ihre nackten Arme. Sie fröstelte und war froh, dass die Kürbisse größer wurden und damit ankündigten, dass sie ihrem Ziel näher kam. Bald würde sie im Warmen sitzen.
#7 Alchemie
Mit zittrigen Händen füllte sie eine hellgelbe Flüssigkeit aus einer mit Drachen verzierten Phiole in einen Kupfertopf. Sofort zischte es, als die Flüssigkeit auf den Quarz darin traf. Sie hielt den Atem an. „Das soll passieren“, sagte eine warme Stimme neben ihr, „Ungefährlich.“ Sie nickte, stellte die Phiole zurück neben den Topf und hatte den Eindruck, nicht laut genug sprechen zu können, um ihr aufgeregtes Herz zu übertönen. „Was jetzt?“, flüsterte sie kaum hörbar. „Anis und Rosmarin.“ Sie nahm den Mörser, in dem sie die getrockneten Kräuter zuvor zerstoßen hatte, und ließ sie in den Topf rieseln. Alin hatte ihr nicht gesagt, was das Ziel der heutigen Lektion wäre. Zu ihrer Enttäuschung hob Alin nun den Deckel auf den Topf und sagte freundlich: „Nun haben wir Zeit für einen Tee.“
#10 Familiar
Sie wandte den Kopf zum Fenster, als sie ein leises Klopfen hörte. Ein Eichelhäher tippelte außen auf dem Fensterbrett auf seinen Füßen und stieß vorsichtig seinen Schnabel gegen die Scheibe. Unwillkürlich lächelte sie, erhob sich aus dem gemütlichen alten Sessel und öffnete die Fensterläden. Ohne zu zögern hüpfte der Häher auf ihren Ärmel und von dort auf ihre Schulter. „Riju“, flüsterte sie und kraulte ihn an der Brust. „Chaawraa“, summte er in ihr Ohr. Es war wie immer. Sie hörte keine Worte, wusste aber doch, was Riju meinte. „Ja, ich war zu lange nicht hier“, antwortete sie, „aber ich bleibe eine Weile.“ Warm breitete sich das Gefühl von absoluter Vertrautheit in ihrer Brust aus. Sie legte Riju einige Bucheckern neben ihre Teetasse, setzte sich wieder und seufzte tief. „Wreejaa“, hörte sie, bevor Riju auf die Armlehne sprang und nach den Samen pickte. Sie lächelte. „Ich dich auch, Riju, und wie!“
#13 Hexenhut
„Das alte Ding?“, fragte sie mit einem Schmunzeln und nahm das unfertige Gebilde, das Alin ihr hinhiel. An einem dünnen Stöckchen hingen vier Holzringe aus ineinander gedrehten Weidenästen. Durch den Größten hätte sie sich vielleicht gerade noch hindurchquetschen können. Der Kleinste hätte vielleicht als Armreif gepasst. An ihm baumelte unmotiviert ein violettes Stück Stoff. „Zeit, ihn endlich fertig zu stellen“, antwortete Alin und setzte sich mit einem wohlwollenden Lächeln wieder in den Sessel gegenüber. Sie wendete den Kram unschlüssig in ihren Händen. „Wäre es nicht leichter, einfach neu zu beginnen?“, fragte sie in guter Erinnerung daran, wie sie schon einmal bei dem Versuch geflucht hatte, die Holzringe sinnvoll zu stabilisieren, die sie aus dünnen Weidenästen selbst geflochten hatte. Nun, sie war damals jünger gewesen. Neun, wenn sie sich nicht täuschte. „Leichter vielleicht“, antwortete Alin und lächelte weiterhin. Sie setzte sich einen mittelgroßen Ring auf den Kopf und war überrascht, dass sie augenblicklich etwas fühlte. Wärme. Kraft. Klarheit. Ein wohliger Schauer lief von ihrer Schädelspitze ihre Wirbelsäule hinunter und erfüllte sie mit Freude. Es war Zeit, ihren Hexenhut zu vollenden. Ihren eigenen Hexenhut. Ihr Atem wurde schneller. Ihr ganzer Körper kribbelte und ihre Finger, mit denen sie über die alten Weidenringe strich, zitterten leicht.
#14 Zauberfokus
Sie trug das Gerüst ihres Hexenhutes auf dem Kopf, das nun endlich nicht mehr verrutschte. Die oberen sieben Zentimeter waren mit violettem Tuch bedeckt und sie hatte beschlossen, für heute genug geleistet zu haben. Die Kerzen im Leuchter neben ihr waren bereits fast heruntergebrannt und Riju, der Eichelhäher, hatte sich längst wieder verabschiedet. Trotz ihrer Müdigkeit beobachtete sie aufmerksam, wie Alin nacheinander fünf Karten aus einem dicken Stapel zog und auf einem kleinen, runden Tisch zwischen zwei Kerzen ablegte. „Du hast deine Frage?“, wollte Alin wissen. Sie nickte und grinste. Sie hatte es vermisst, mit Alin in den Karten zu lesen. Sie hatte es einige Male allein versucht, doch es war nicht dasselbe. Anders als die Alchemielektionen hatten die Karten immer Spaß bedeutet. „Was“, fragte sie nun, „was wäre, wenn die Endlichkeit schon gestern begonnen hätte?“ Alin lächelte, ohne zu ihr aufzusehen, und antwortete: „Das hat mehr Ernst, als dir bewusst ist.“
#16 Bücher
„Was ist es?“, fragte sie, während sie mit dumpfem Klopfen Schlamm und Herbstlaub von ihren Stiefeln trat. „Du wirst sehen“, antwortete Alin und drückte den Fuß des langen Stabes gegen die hölzerne Tür, die sich nach innen öffnete. Warmes Licht fiel durch den Türspalt nach draußen. Alin machte eine einladende Geste und so machte sie den Schritt durch die Tür. Der Raum vor ihr war groß. Dreimal so groß wie Alins Hütte vielleicht. In einem Herd knisterte leise ein Feuer. In seiner Nähe waren vier schwer erscheindende Sessel aufgestellt. In einem saß ein grauhaariger Mensch in einer weiten, nachtblauen Robe. Und sonst sah sie Regale. Nichts als Regal, gefüllt mit Büchern. Rote, grüne, blaue und schwarze Buchrücken. Schmale und dicke. Mit Goldschrift geprägt, namenlos. Sie war stehen geblieben und ging nur widerwillig einen weiteren Schritt, als Alin den Stab vorsichtig in ihre Wade stieß. Alins Hand auf ihrer Schulter schob sie kurz darauf ein Stück zur Seite. Die Tür hinter ihr schloss sich und sie waren nun, so nahm sie an, drei Magiebegabte in einem Raum voller Bücher.