Inhaltswarnungen:
Unklare Bedrohung, Dunkelheit, Monster,
Verbannung, Kampf, Hilflosigkeit, Verzweiflung
Tags:
Hoffnung, Zuversicht, Vertrauen

Ein nugrukisches Märchen
Nundash war ein Junge, der seit jeher davon geträumt hatte, ein großer Held zu werden. Er verbrachte viele Tage damit, die Kampfkunst zu üben. Viele seines Clans schmunzelten darüber. Einige behaupteten, er werde einmal großes vollbringen. Die Ältesten beobachteten dies alles und hielten sich weise zurück.
Die Jahre vergingen, und der Clan lebte ein friedliches Leben, fernab von jeder Bedrohung, die Nundash hätte bekämpfen können. Währenddessen wuchs er zum Mann heran und übte weiterhin täglich. Er heiratete aber auch und hatte bald eine kleine Familie, für die er sorgen musste.
Da brach eines Tages eine große Dunkelheit über der Welt herein. Die Sonne verschwand hinter dem Horizont und zeigte sich nicht mehr. Und aus den Schatten kamen die Ungeheuer. Sie scheuten das Licht, das die Menschen in ihren Häusern entzündeten, doch draußen war niemand mehr sicher. Die Menschen von Nundashs Clan hatten die Wahl: Vor Hunger zu sterben oder den Kampf mit den Bestien aufzunehmen.
Nundash indes hatte einen Traum, in dem er die Sonne zurück in das Dorf brachte. Er wusste, dass dies die Lösung sein musste, doch man wollte ihn nicht gehen lassen. Er war der beste Kämpfer des Dorfes, und sie brauchten ihn, um gegen die Ungeheuer zu bestehen.
Da schlich er sich heimlich davon und die Leute seines Clans hielten ihn für einen Feigling und Verräter und belegten ihn mit einem Bann. Er sollte nirgendwo Zuflucht finden und so gaben sie ihm die Gestalt einer Bestie.
Nundash wusste nicht, wie ihm geschah, als sich plötzlich seine Haut mit schwarzen Schuppen bedeckte und seine Hände und Füße zu Klauen wurden. Die Zähne wuchsen zu mächtigen Reißern und in ihm erwachte eine Sehnsucht nach Blut.
Die wilden Tiere musste er so nicht mehr fürchten, aber wo er auch hinkam, wurde er gejagt und gehetzt, denn die Menschen hielten ihn für eine der Bestien, die mit der Dunkelheit gekommen waren. So lief er ruhelos immer weiter und weiter, und war doch nirgendwo willkommen.
Nundash hatte längst das Vertrauen in seinen Traum verloren. Zweifel quälten ihn: Hatte er sich geirrt? Hätte er seinem Clan im Kampf beistehen müssen?
Von Hoffnungslosigkeit und Einsamkeit geschlagen zog er sich in die Höhlen eines Berges zurück. Tief unten, so hoffte er, würde er wenigstens nicht mehr gejagt.
Er ging so tief in den Berg hinein, dass kein Lichtstrahl und kein Laut mehr zu ihm durchdrangen. Hier wollte er bleiben und auf seinen Tod warten.
Und in diesem Moment geschah das Wunder. Im tiefsten Dunkel des Berges, als seine Hoffnung verloren war, erschien ihm ein Licht. Es war eine Kugel, die hell strahlte wie die Sonne. Als das Licht auf Nundash fiel, verlor der Bann seine Wirkung und er bekam seine menschliche Gestalt zurück. Ungläubig befühlte Nundash Arme und Gesicht, die wieder von weicher Haut bedeckt waren. Keine Klauen, keine Schuppen, keine Reißzähne. Da wusste Nundash, dass er Recht gehabt hatte.
Es war aus weiter Ferne zu sehen, als Nundash die Höhle verließ, denn die Lichtkugel folgte ihm und vertrieb die Dunkelheit. Keine Bestie konnte diesem Licht standhalten, und so verschwanden sie überall da, wo Nundash auftauchte. Die Menschen, in deren Dörfer er kam, dankten ihm und verehrten ihn wie einen Gott. Sie wussten nicht, dass sie ihn vorher fortgejagt hatten.
Doch Nundash war von Angst geplagt, was seit seiner Abwesenheit in seinem Clan geschehen sein mochte. Mehr als alles andere wünschte er sich die Umarmung seiner Frau und das Lachen seiner Kinder. Er rastete kaum und trug die Lichtkugel immer weiter, bis er endlich die Häuser seines Dorfes erkannte.
Da wurden seine Schritte langsam, denn er fürchtete sich. Doch die Leute seines Clans hatten sein Licht schon lange gesehen und kamen ihm entgehen. Zögerlich zuerst, denn sie wussten nicht, was das Licht bedeuten sollte. Aber als sie ihn erkannten, da kam ihm seine Familie entgegen und sie fielen sich in die Arme. Da verschwand die Kugel aus Licht, doch am Horizont erschien leuchtend rot die Sonne und strahlte über das ganze Land.
Und die, die ihn mit dem Bann belegt hatten, feierten ihn nun. Nundash hatte sich seinen Traum erfüllt und war ein Held geworden. Und wenn er jetzt die Augen schloss, träumte er nur noch eins: Er wollte seine Kinder aufwachsen sehen und noch viele, viele Jahre mit seiner Frau verbringen. Nie wieder übte er sich im Kampf.