CN: Kinkshaming (erwähnt), sexuelle Themen und Kinks (erwähnt), Folter/Amputation (sehr kurz erwähnt)
Man müsste Kinder ja zumindest von den schlimmeren Kinks – die mit Schmerz oder Erniedrigung oder so zu tun haben – fernhalten. Offenbar Themen, die sehr schlimm und kein bisschen kindgerecht sind.
Nun gut.
Meine erste Lieblingsserie, an die ich mich erinnern kann, war „Die Gummibärenbande“. Gleich im Vorspann sehen wir das gelbe Bärchen in einen Käfig eingesperrt. Aber ist ja kein Kink, also in Ordnung. Im Verlauf der Serie sehen wir in vermutlich jeder zweiten Folge, wie Toady von Herzog Igzorn böse gedemütigt wird und es als Fußabtreter mit schleimerischer Unterwerfung hinnimmt. Aber ist ja kein Kink, also in Ordnung.
Etwas älter war ich, als ich Asterix-Filme gesehen habe. Peitschen auf Galeeren, Menschen in schweren Ketten und dreckige Verliese. Leute, die um ihr Leben betteln. Aber ist ja alles kein Kink, also in Ordnung.
Im Kinderbuch „Die kleine Hexe“ gibt es eine Szene, in der mit sadistischer Lust beschrieben wird, wie die älteren Hexen die kleine Hexe quälen werden, wenn sie sie erst einmal haben. Auch kein Kink, kann man Kindern also zumuten.
„Robin Hood – Der König der Diebe“ ist FSK 12, und da soll am Anfang jemandem die Hand abgehackt werden.
Bei uns auf dem Weihnachtsmarkt gab es in der Mittelalter-Ecke einen Pranger, in dessen Käfigen sogar Schauspielende saßen.
Außerdem: Märchen. Kinderbibeln. Die Kreuzigungsgeschichte.
Niemanden stört, dass Kinder Dinge sehen, die mit Schmerz, Erniedrigung oder Gewalt zu tun haben. Oder vielleicht nicht niemanden, aber die große Masse stört sich nicht an diesen Darstellungen. Im Gegenteil. In Geschichten für Kinder kommen oft ganz furchtbare Bösewichte mit ziemlich sadistischen Ideen vor. Mitunter werden sie dann sogar von ihrer Kleidung her ziemlich kinky dargestellt, ohne dass irgendjemand der Meinung wäre, man müsste das sexuell interpretieren oder würde Kinder auf diese Weise verstören. Kinder denken ja auch beim Dekolleté der Eiskönigin nicht an Sex. Oder bei irgendjemandes Dekolleté. Warum sollten sie das dann bei Peitschen, Handschellen, Hundeleinen oder Ledermasken tun?
Ich unterstelle mal: Das Problem ist gar nicht, ob Kinder etwas sexuell interpretieren oder nicht. Kinder, die im Laufe des Heranwachsens merken, dass sie auf Dekolletés stehen, denken ja dann an die „richtige Art“ von Sex. Das können Erwachsene dann mit einem wissenden Schmunzeln beobachten, zu gegebener Zeit Aufklärungsgespräche über Kondome und Einvernehmlichkeit führen und denken, dass sie früher mal genauso waren…
Kinder, denen es in diesem Alter plötzlich bei Asterix’ Galeerenszenen heiß wird… was ist mit denen? Ja, die würden vielleicht die Peitsche, die jemand beim CSD am Gürtel trägt, mit einer ganz besonderen Neugier betrachten. Und ja, die würden vielleicht auch aus einer harmlos wirkenden, verspielten Geste eines Petplayers ein sexuell aufgeladenes Powerplay rauslesen. Aber halt nur, weil die Schablone dafür eh schon im Kopf ist. Für alle anderen bleibt es die harmlose, verspielte Geste.
Ihr könnt Kinder nicht davor bewahren, dass sie auf kinky Ideen kommen. Das tun sie vielleicht schon, wenn sie kleine gelbe Bären in Käfigen sehen. Ihr könnt sie aber vor Scham, Versteckspiel und dem Eingehen unnötiger Risiken bewahren. Und zwar, indem ihr von Erwachsenen kein Versteckspiel dazu erwartet, und endlich aufhört, kinky Zeug anders zu bewerten als Dekolletés. Und ich wähle bewusst das Beispiel des Dekolletés, weil ich dasselbe Level an Sichtbarkeit von sexuellem meine. Ich plädiere nicht für öffentliche Flogging-Sessions. Aber wo man in jeder Fußgängerzone Spitzendessous im Schaufenster sehen kann, sollte man sich auch nicht über eine Ledermaske aufregen.