Ein Text darüber, warum ich keine schriftstellerischer “Karriere” mehr anstrebe
Inhaltswarnungen: Bezug zur Klimakrise, Elternschaft trotz Klimakrise, kapitalistische Zwänge, Trauer um die Zukunft (alles eher oberflächlich)
Seit ungefähr drei Jahren knirscht es in meinem Kopf, wenn ich daran denke, meine schriftstellerische Karriere zu verfolgen. Es ist ein Traum, der schon sehr lange in meinem Kopf ist, der mit zunehmendem Erwachsenwerden als „nicht realistisch“ aus der Berufswahl aussortiert wurde und sich erst mühsam irgendwann wieder zurückgekämpft hat. Vor vielleicht 5 Jahren konnte ich das erste Mal wirklich überzeugt sagen: Ich will Autor*in werden. Das Schreiben soll ein Teil meiner professionellen Identität werden. Ich will mir dafür Zeit freihalten. Ich will das ernsthaft verfolgen.
Das war ein wichtiger Schritt für mich und mein Selbstverständnis. Dieses Jahr habe ich das erste Mal ein Buch veröffentlichen können, die Novelle „Die Zerufinaxt“. Mein erster Roman ist endlich auch soweit, dass er Ende des Jahres erscheinen kann.
Und genau an diesem Punkt, wo es irgendwie gerade losgeht, kann ich das Knirschen in meinem Kopf nicht mehr länger ignorieren. Etwas passt nicht. Etwas an meinem Traum stimmt nicht. Und es ist mir seit drei Jahren halb bewusst.
Rückblick: 2020 war mein Kind gerade ein halbes Jahr alt, als die Schulen wegen Corona geschlossen wurden.
Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich mein Leben in dem etwas naiven Vertrauen gelebt, dass die Regierungen der Welt zwar nicht perfekt und häufig auf eigene Machtinteressen ausgerichtet sind, aber im Angesicht ECHTER Krisen doch sinnvoll handeln würden.
Als dieser Glaube in der Corona-Pandemie erschüttert wurde, folgte daraus die nächste Erkenntnis: Auch auf die Klimakrise (und alles, was damit verbunden ist) wird nicht sinnvoll reagiert.
Ich geriet in einen recht aufwühlenden emotionalen Strudel, betrachtete mein mittlerweile etwa einjähriges Kind, das ich naiv und leichtfertig in eine Welt gesetzt hatte, die lange keine angenehmen Aussicht mehr verspricht. Panik und Schuldgefühle. Das möchte ich hier gar nicht weiter vertiefen, denn den Umgang mit diesen Gefühlen und Gedanken empfinde ich als zu persönlich.
Aber das Ergebnis dieser Phase war ein realistischerer Blick in die Zukunft. Ein Bewusstwerden, dass mein Kind eine schwierige Zukunft vor sich hat (wir alle, im Übrigen), und die Erkenntnis, dass ich Leben trotzdem irgendwie gut und lebenswert und schützenswert finde. Gerade schreibe ich das, während kleine Füße in meinem Bauch gegen meine Rippen treten. Dieses Mal eine sehr bewusste Entscheidung trotz aller Ängste.
Mein „Klimaschock“ war verbunden mit Abschieden von einer Zukunft, wie ich sie mir immer ausgemalt hatte. Im Wesentlichen wollte das ich Leben, das meine Eltern hatten, mit Haus und Arbeit und Urlaub, gutem Essen und Frieden. Keine Ahnung, wie die Welt mal aussieht, wenn ich dann im Großelternalter bin. Aber sicher anders, als ich es mir wünschen würde.
Klares Ziel ist, den eigenen Konsum möglichst einzuschränken. Darüber, wie viel Wohnfläche oder wie viel Auto wir als Familie brauchen, denke ich schon lange nach. Auf Urlaub in der Ferne können wir leicht verzichten, auf Fleisch leider nur schwer. Durch jeden Aspekt des Alltags ziehen sich Überlegungen, was gut oder nicht so gut ist.
Und jetzt hat es meine Autori-“Karriere“ erwischt. Der Wunsch, aus möglichst vielen Konsumzwängen auszusteigen, passt nicht zu der Idee, mir noch einen zweiten Beruf zuzulegen. (Anmerkung: Ich bin nicht gut mit dem Aussteigen. Ich habe kapitalistische Ideen so tief verinnerlicht, empfinde Geldhaben als Sicherheit und Wertschätzung und tue mich schwer mit anderen Herangehensweisen ans Zusammenleben.)
Aber es passt mir nicht mehr, über den Druck von Lesezeichen nachzudenken, weil ja Marketing wichtig ist, wenn ich doch weiß, dass die am Ende im Altpapier landen. Es passt mir überhaupt nicht, Leuten meine Bücher „aufzudrängen“, in der Hoffnung, am Ende eine möglichst große Verkaufszahl angucken zu können. Keine Ahnung, ob das plausibel ist für andere. Aber es fühlt sich vollständig falsch an.
Kapitalismus hat für mich persönlich ein bisschen was von einer Zwangsstörung. Obwohl ich weiß, dass das Verhalten für mich eigentlich mehr schädlich als hilfreich ist (wie z. B. das hundertste Händewaschen bei einem Waschzwang), kann ich irgendwie nicht anders, als immer weiter zu machen. Es ist ein innerer Drang, das Zahlen hoch und mein Beruf gut sein müssen. Dass alles bezahlt werden muss oder keinen Wert hat. Nicht kapitalistisch zu handeln, löst bei mir massive Ängste aus.
(Mein Kind mit seinen drei Jahren spielt häufig „Absperrung“ und ich muss dann „drei Geld“ bezahlen, damit ich durch darf. Es fängt so früh an und ich kann es nicht aufhalten.)
Also nun, das Fazit von diesem Ganzen ist: Ich schreibe weiter, weil Schreiben mir gut tut. Ich möchte die Geschichten auch veröffentlichen, weil sie gut und lesenswert sind. Aber ich will keine „Karriere aufbauen“, will das nicht in finanziellen Werten durchrechnen, will keine Energie in irgendwelche Marketingsachen stecken. Vielleicht nehme ich mir ein Beispiel an skalabyrinth und stelle die eBooks einfach auf meine Homepage, Prints dann über Print-on-Demand. Noch unsicher, was genau ich wie tun will. Aber ich merke einen deutlichen Spannungsabfall, wenn ich über die Veränderung meiner Pläne nachdenke. Aussteigen aus der Idee, den Wert meiner Bücher in Geld zu messen. (Ich habe das Glück, dass ich mit der Psychologie eine zweite Leidenschaft habe, in der ich sehr gut arbeiten kann.)
Ich merke, wie plötzlich auch ein ganzes Stück Perfektionismus von mir abfällt. Wenn das Schreiben eine reine Gute-Laune-Angelegenheit wird (für mich und die Lesenden), dann braucht es kein perfektes Cover, dann muss ich nicht mit irgendwelchen Großverlagen mithalten oder konkurrieren, dann dürfen Lesende mich korrigieren oder auch nicht, wenn irgendwo Fehler sind. Ich merke eine andere Sicht auf das Schreiben. Ich merke, dass es mir Freude machen könnte, meine Geschichten zu verschenken. Glaube, das ist ein guter Weg.
Aber das alles hat neben der Abneigung gegen Marketing und Kapitalismus noch einen anderen Grund:
Ich habe mit den Psychologists For Future das erste Mal eine Gruppe gefunden, in der ich den Eindruck habe, mich sinnvoll einsetzen zu können. Bisher hatte ich häufig das Gefühl, mit meinen spezifischen Fähigkeiten und Unfähigkeiten wenig tun zu können, als vielleicht aktivistische Gruppen finanziell zu unterstützen (was auch gut ist, keine Frage).
Ich kann mich jetzt also sinnvoll einbringen. Aber ich habe für solche Dinge trotzdem nicht so viel Zeit, vielleicht nur einige Stunden im Monat. Und wenn ich die Wahl habe, in dieser Zeit Werbebildchen zu erstellen oder vielleicht meine Fähigkeiten einzusetzen, um Klimaaktivist*innen ein psychotherapeutisches Angebot zu machen … Dann weiß ich, wo ich sein will und was ich tun möchte.